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Die Zunft

 
Braugeschichte und Brauergeschichten aus Schwalenberg

Die frühesten Zeugnisse über Brauen in Schwalenberg stammen von der Burg. Dort befand sich in der Mitte der Hauptburg ein Back- und Brauhaus, wie wir es seit dem Mittelalter als typische Einrichtung kennen. Urkundlich erfahren wir davon, weil es zwischen Lippe und Paderborn im Jahre 1631 darüber zu einem Streit kam. Obwohl die Burg Schwalenberg, wie auch der Ort selbst, seit der Mitte des 14. Jh. zwischen den Grafen zur Lippe und dem Bischof von Paderborn aufgeteilt war, begann man für die Gräfin Maria-Magdalena, nach dem Tod ihres Gemahls, des Grafen Simon VII., mit der Herrichtung des lippischen Teils der Burg als Witwensitz (Wittum).

Das alte Back- und Brauhaus war 1618 abgerissen worden. Es sollte nun neu errichtet werden, wobei man einen Platz aussuchte, an dem der Bischof Miteigentumsrechte besaß. Da der Paderborner Protest gegen den Bau kein Gehör fand, ließ der Paderborner Amtmann den Bau mit Gewalt einreißen. Noch im gleichen Jahr endete der Streit durch die Einstellung jeglicher Bautätigkeit, da der 30-jährige Krieg nun auch Ostwestfalen-Lippe heimsuchte und schwedische und hessische Truppen das Hochstift Paderborn besetzten.

Früheste Zeugnisse des Brauens im Ort stammen aus dem Jahr 1661. Der Rat der Stadt hatte um die Errichtung eines "Brawer Ambtes" (einer Brauzunft) nachgesucht, wie dies in anderen lippischen Städten, so z.B. Lemgo bereits bestand. Am 7. Februar 1661 gewährte der lippische Graf Hermann Adolph dem Flecken Schwalenberg das erbliche Privileg, eine Brauzunft einrichten zu dürfen. Die Überwachung oblag fortan dem Rat, der einen Braumeister einsetzte und dessen Amtseid entgegennahm. Darin verpflichtete sich der Braumeister darauf zu achten, dass ein jeder Brauer nicht mehr als ein halbes Fuder Malz verbrauen dürfe und dies nur nach überlieferten Rezepten. Die Ordnungsgewalt behielt sich der Rat jedoch selbst vor.

So wurde noch im Jahre 1661 der Brauer Diderich Töllen festgesetzt, nachdem er "die Mas Bihr" für 3 Groschen öffentlich ausgerufen hatte. Dieser Preis muss wohl deutlich unter dem vorgeschriebenen Preis gelegen haben. Erst als er 2 Bürgen benennen konnte, 100 Schilling Strafe entrichtet und geschworen hatte, "selbiges seine Lebtage wieder niemand … wolle … thun", kam er wieder frei.

Der Erwerb des Brauamtes (Eintritt in die Zunft) war von Anfang an begehrt und teuer. So hatte der Brauer für sich und seine Frau 40 Thaler, 4 Schafskäse und 4 Pfund Wachs zu zahlen. Dazu hatte er 2 Tonnen Bier auszugeben und einen weiteren Thaler für die Kämmerei aufzuwenden. Wollte er auch seinen Sohn in die Zunft aufgenommen wissen, kam neben 2 Tonnen Bier, 1 Schafskäse und 1 Pfund Wachs noch ein Stuhlkissen dazu! Vergleichsweise preiswert war da schon die Aufnahme einer Tochter, mit nur einer Tonne Bier und wieder einem Stuhlkissen.

In der 1. Hälfte des 18. Jh. scheint das Brauamt verwaist gewesen zu sein (abgemeldetes Brauamt). Davon spricht jedenfalls eine Urkunde aus dem Jahr 1751, in der kein geringerer als der Fürstbischof Clemens-August, der Erbauer von Schloss Augustusburg bei Brühl, den Schwalenberger "Brauer-Consorten" das Braurecht zurückgab. Hierin taucht auch erstmals das Wort Zunft direkt neben Brauamt auf. Außerdem wird deutlich, dass das Braurecht nur gegen Abgaben, hier "Vier und Zwanzig" Mark zu erlangen war.

Zu Beginn des 19. Jh. erreichte die napoleonische Gesetzgebung auch Lippe. Dazu gehörte die Verfügung, dass in kleineren Orten nur noch an einem Ort gebraut werden durfte. Die Brauer reagierten prompt und errichteten an der kalten Nordseite des Burgbergs ein Brauhaus (heute Neue Torstraße 16), das die Stättenbezeichnung Nr. 53 bekam. Es war durch einen hohen Hauptraum gekennzeichnet und einen großen, in den Berg getriebenen Lagerkeller. Ausschank war hier also nicht vorgesehen. Der erfolgte weiterhin über die örtlichen Gasthäuser und die Zunftgenossen.

Erst 1841 trat Lippe dem Deutschen Zollverein bei, womit zunächst alle Handelszölle aufgehoben wurden. 1843 gab es dann eine neue lippische Städteordnung, die "Vier-Haufen-Verfassung" (Ständeordnung), die die Macht der Zünfte erstmals deutlich zurückdrängte. Aber noch 1840 war das Brauamt in Schwalenberg äußerst aktiv. Es stand ihm der Krüger Gausmann vor, der einen Braumeister beschäftigte. Es wurden 2 Sorten Bier gebraut, ein süßes, das auch als Würze zu Speisen geeignet sei und ein Bitteres, welches einen Vergleich mit dem im Falkenkrug bei Detmold gebrauten Bier nicht zu scheuen brauche.

Außerdem stellte in diesem Jahr der Bürgermeister Schlingmann einen Antrag an die Hochfürstliche Rentkammer in Detmold, einen neuen Felsenkeller in einer Mergelkuhle, an der Straße nach Rischenau anlegen zu dürfen. Dieser wurde kurzfristig genehmigt und noch im gleichen Jahr fertig gestellt. Das zeigt deutlich, wie sich die Ansprüche an die Bierqualität in dieser Zeit weiterentwickelt hatten, denn der neue Keller kann nur geringfügig kälter gewesen sein als der Vorhandene. Dafür war man aber bereit, die Unannehmlichkeit des Transports um den Burgberg herum auf sich zu nehmen. 1854 soll in Schwalenberg das Brauamt aufgehoben worden sein. Tatsächlich dürfte es sich aber nur um eine weitere Kürzung von Privilegien gehandelt haben. Tatsächlich bedrängten die Brauämter inzwischen wirtschaftliche Probleme. So wurde 1851 in Lemgo, vom Magistrat eine Entschädigungsregelung für die Zunftgenossen beschlossen. In Schwalenberg bekamen die Brauer allerdings noch im Jahre 1865 Weiseholz, was für eine aktive Brautätigkeit spricht.

Die letzte urkundliche Erwähnung des Brauamtes stammt aus dem Jahre 1875, als am 9. Dezember das Brauhaus für 690,- Mark endgültig in private Hände verkauft wurde, mit dem dahinter liegenden Felsenkeller, wie es ausdrücklich im Kaufvertrag heißt. Zu dieser Zeit änderten sich die Umstände im Brauereiwesen durch die aufkommende Industrialisierung, namentlich die "Dampfbierbrauereien" bereits ganz entscheidend. Biere gleichbleibender Qualität waren nun in ausreichender Menge und zu günstigen Preisen das ganze Jahr hindurch erhältlich.

Trotzdem wurde in Schwalenberg weiter gebraut. Die jüngsten Zeugnisse häuslichen Brauens stammen aus den 1920er Jahren.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich ein anderer Teil der Brautraditionen schon sein Überleben gesichert. Die Brauer, als alte und stolze Zunft, hatten ihre eigenen Bekleidungsregeln entwickelt, die sie als Sonntags- und Festtracht pflegten. Dazu gehörten auch Brauertänze, die den Mitgliedern dieser Zunft vorbehalten waren.

Pastor Alexander Zeiß, der um die vorletzte Jahrhundertwende die Pfarrstelle in Schwalenberg innehatte, erkannte schon früh die Bedeutung dieser Traditionen und hielt sie zusammen mit dem damaligen Amtsmusiker August Röhne fest. So wurde 1912 die Schwalenberger Tanz- und Trachtengruppe gegründet, die heutige Trachtengilde Schwalenberg e.V., die damit die einzige Brauertracht und die einzigen Brauertänze im norddeutschen Raum pflegt.

Erst 2004 beginnt die Wiederaufnahme des gemeinschaftlichen, häuslichen Brauens in Schwalenberg durch eine kleine Initiativgruppe aus dem Falkenrott der Schwalenberger Schützengesellschaft. Ein Jahr später wird die Schwalenberger Brauzunft e.V. gegründet und beginnt mit Hilfe der Stadt Schieder-Schwalenberg, der Bürgerstiftung Schwalenberg, sowie zahlreicher Sponsoren mit der Errichtung eines Brauhauses "In der Tränke 8".

Die Einweihung wird am 12.05.2007 unter Anwesenheit des Bürgermeisters, des Landrats, des VHDs und zahlreicher Ehrengäste gefeiert.


Inzwischen wird in vielen lippischen Städten, ebenso wie im benachbarten Westfalen, an alte Brautraditionen wieder angeknüpft. Schließlich ist die Region Westfalen, zu der auch Lippe zu rechnen ist, eine der wichtigen Keimzellen deutscher Brautraditionen.


Aufsatz von Frank Ehlert nach der Chronik Schwalenbergs, von Prof. Dr. Karl Eckart, Seiten 103,104,141
(Herausgegeben von der Bürgerstiftung Schwalenberg, Blomberg 2008),
dem Heft Nr. 35 – 06.2006 des Arbeitskreises Stadtgeschichte "Bierbrauen in Lemgo",
außerdem versch. mdl. Überlieferungen.