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Die heutige Schwalenberger Brauzunft ist keinesfalls das Ergebnis eines planvollen Vorgehens. Vielmehr muss ganz unterschiedlichen Entwicklungslinien nachgegangen werden, um ihr Zustandekommen zu verstehen. Anfang 2004 tauchen in einem von Jürgen Reuß in Blomberg abgehaltenen 3-tägigen Volkshochschul-Braukurs der heutige Vorsitzende Frank Ehlert, sein Stellvertreter Fritz Beckmann, der Schatzmeister Eckhard Stüber und der langjährige Ausklingler Uwe Franzke auf. Zum Jahreswechsel 2003/04 war dem eine gemeinsame Urlaubsreise von Ehlert und Beckmann vorangegangen, auf der ein Fernsehbericht über Bierbrauen bereits ausgiebig diskutiert wurde. Dies darf zweifelsohne als Startschuss für den praktischen Teil des Brauens angesehen werden. Jürgen Reuß, der heute Ehrenmitglied der Zunft ist, betätigte und betätigt sich wiederholt als Braulehrer im Rahmen des Dachvereins, der Vereinigung der Haus- und Hobbybrauer in Deutschland e.V. (im Folgenden VHD e.V. genannt). Jener Kurs war allerdings der einzige, der in Blomberg stattfand. Und dieser wäre, so betont Reuß immer wieder, ohne die Teilnahme der Schwalenberger überhaupt nicht zustande gekommen. Die 4 Braukursteilnehmer waren Schützenbrüder im Falkenrott der Schwalenberger Schützengesellschaft und trugen ihr neues Interesse am Stammtisch des Falkenrottes, der "Blauen Tonne", den anderen vor. So blieb es nicht lange bei den 4 Initiatoren, als man in den Folgemonaten immer wieder mit einfachsten häuslichen Utensilien das Gelernte nachvollzog. Auch ihr Braulehrer Reuß leistete weiter Hilfestellung.
Parallel dazu fand im Frühjahr 2004 ein vom Bürgermeister Klaus eingeladener Workshop zur Zukunft der historischen Schwalenberger Altstadt statt, wobei es vornehmlich um die Umnutzung von Leerständen ging. Frank Ehlert mahnte in dieser Diskussion wichtige Merkmale an, die ein Stadtmarketingprojekt aufweisen müsse. Als Beispiel nannte er neben anderen auch die Reaktivierung des Gemeinschaftsbrauens in Anlehnung an das alte Schwalenberger Brauamt. Tatsächlich nahm gerade dieses Beispiel großen Raum in der anschließenden Aussprache ein, so dass Bürgermeister Gert Klaus anschließend Ehlert bat, den Vorschlag weiter zu verfolgen und möglichst zu Papier zu bringen. Ehlert, der auch Initiator der ersten Bürgerstiftung im Kreis Lippe war – der Bürgerstiftung Schwalenberg - trug dies als Mitglied in den dortigen Stiftungsrat. Es bekam den Arbeitstitel "Bürgerbrauerei" und wurde von Ehlert als gewerbliches Gemeinschaftsbrauhaus aller Schwalenberger Gastronomiebetriebe konzipiert, unter Einbeziehung insbesondere der Trachtengilde. So übernahm zunächst die Bürgerstiftung die weitere Verfolgung dieses Projekts. Ein erstes Anschreiben zum Konzept einer "Bürgerbrauerei" kann Ehlert im Namen der Bürgerstiftung am 03.05.2004 an Bürgermeister Klaus richten. Nach Ehlerts Überzeugung muss ein solches Brauobjekt möglichst nah am Marktplatz liegen. So spricht er die Familie Niederkrüger, die Volksbank wegen des Giebelhauses und die Stadt und den Landesverband wegen des Werkhauses (ehem. Gasthaus Röhne) als Braustätte an. Er erhält jedoch von allen eine Ablehnung. Auch die damalige Gastronomie zeigt kein Interesse an einer gemeinschaftlichen Gasthausbrauerei. Diese Verhandlungen ziehen sich über den Jahreswechsel 2005 hin, bis sich Ehlert letztlich entschließt, das Projekt als undurchführbar an Bürgermeister Klaus zurückzugeben. Dieser lässt das Ansinnen von Ehlert aber nicht gelten und drängt ihn, weiterhin nach alternativen, ggf. ehrenamtlichen Lösungen zu suchen, wobei er erstmals die ehemalige Wagenremise "In der Tränke 8" ins Gespräch bringt.
Auch die praktischen Braubemühungen aus dem Falkenrott heraus bringen die üblichen Schwierigkeiten eines völligen Neustarts mit sich. Braugänge misslingen, die Gerätschaften werden als unzureichend erkannt. Erste gemeinschaftliche Anschaffungen müssen her, und schließlich erkennt man immer wieder Lücken im eigenen Wissen. So wird Fachliteratur angeschafft und Ehlert tritt bereits 2004 dem VHD e.V. bei. Dadurch entsteht auch ein direkter Kontakt zum späteren Ehrenmitglied Markus Harms aus Steinhagen, der zu dieser Zeit 2. Vorsitzender des VHD e.V. ist. Auch wenn die Brauergebnisse 2004 und 2005 alles andere als überzeugend sind, bezeichnen die Aktiven der ersten Stunde diese Monate gern als "unsere Keller-Küche-Carport Phase". Diese Bezeichnung verdeckt allerdings, dass das Brauen bei den einzelnen Interessenten im Haus in den jeweiligen Familien nicht immer auf Gegenliebe stößt.
So gibt es unabhängig von dem Vorschlag des Bürgermeisters bereits Überlegungen, das Brauen in eine nicht mehr benötigte Scheune oder ähnliche Räumlichkeiten dauerhaft zu verlegen. Als Ehlert schließlich mit dem Vorschlag des Bürgermeisters bei der Blauen Tonne aufwartet, findet das allgemeine Zustimmung. So wird um die Jahresmitte 2005 das Konzept der "Bürgerbrauerei" aufgegeben und ein ehrenamtliches Konzept entwickelt. Dabei gilt es zunächst im Gespräch mit Behörden und Kammern abzustimmen, wo die Abgrenzung zwischen gewerblichem und ehrenamtlichem Brauen liegt. Das ist aber nicht die einzige formale Hürde, die es zu nehmen gilt.
Letztlich gilt für den Verein: "Es darf nur das Bier, das im Rahmen der gemeinnützigen, satzungsmäßigen Betätigungen (Schaubrauen, Ausbildungsbrauen, Probebrauen) erzeugt wird, verkauft werden. Preise und Umfang des Verkaufs dürfen nur darauf ausgerichtet sein, die entstandenen Kosten zu decken. Auftragsbrauen ist so nicht möglich."
Was Brauen mit Erbsensuppe zu tun hat
Es drohten also sowohl die konzeptionelle Initiative der Bürgerstiftung als auch die praktische Initiative des Falkenrottes zwischen Ende 2004 und Mitte 2005 mehrfach zu scheitern. Der Hartnäckigkeit aller Beteiligter ist es letztlich zu verdanken, dass es am 22.10.2005 dann doch noch zur Gründung eines Schwalenberger Brauvereins kommt, mit dem Ziel einer Wiederbelebung des alten Brauamtes, einer Übernahme des Gebäudes "In der Tränke 8" von der Stadt Schieder-Schwalenberg und eines Beitrags zum Stadtmarketing. Zu dieser Gründungsversammlung im Wienkeweg 32, bei Lothar Müller, erscheinen 9 Gründungsmitglieder, von denen zunächst jeder 20 € zahlt, um die Gründungsformalien finanzieren zu können. Zauderer ist in der Versammlung vor allem Ehlert, der nach wie vor eine gewerbliche Lösung favorisiert. Neben der Wahl des Gründungsvorstands geht es vor allem um die Namensfindung. "Bürgerbrauerei" und "Brauamt" tauchen zwar unter den Vorschlägen auf. Letztlich entscheidet sich die Mehrheit aber für Beckmanns Vorschlag "Schwalenberger Brauzunft e.V."
Nun gilt es vor allem Geld aufzutreiben, denn das zukünftige Brauhaus weist erhebliche Baumängel auf. Außerdem muss
ja nun auch eine entsprechende, stationäre Brauanlage her. So geht der junge Verein ab Januar 2006 mit wiederholten Presseberichten
an die Öffentlichkeit. Parallel werden Bettelbriefe geschrieben. Außerdem wird bei den Mitgliedern eine Anleihe genommen.
Allen ist klar:
"Mit weniger als 10.000 EURO im Rücken brauchen wir das Projekt nicht anfangen." Mit namhaften Spenden der Bürgerstiftung Schwalenberg,
der Firma Müller Umwelttechnik, aber auch weiterer ortsansässiger und überregionaler Firmen kommt man dem Wunschbetrag näher.
Bei Schneetreiben wird schließlich der bis dahin größte Sud im letzten "Keller-Küche-Carport-Brauen" bei Rainer Pook in einem
historischen, holzbefeuerten 100 Liter Waschkessel (Im Volksmund auch "Schweinepott" genannt) angesetzt, um beim
Maibaumspektakel 2006 ausgeschenkt zu werden. Die Zeitung titelt dazu: "Dunkel, naturtrüb, süffig – Erstes Schwalenberger
Maibockbier mundete vorzüglich."
Bereits am 07.06.2006 treten die Brauer mit einer Informationsveranstaltung im Rathaussaal erneut an die Öffentlichkeit, um weiter zu werben und zu sammeln. Es erscheinen immerhin 60 interessierte Bürgerinnen und Bürger. Hier übergibt Ehlert dem Verein auch eine alte Glocke, ähnlich wie sie bis in die 1960er Jahre hinein der Schwalenberger Ausklingler trug. Mit dieser Glocke werden seither durch Uwe Franzke und zunächst auch durch Fritz Beckmann wichtige Vereinsereignisse im Ort ausgeläutet.
Auf dieser Veranstaltung wird außerdem Eckhard Stüber zum Zunftmeister ernannt. Das spiegelt sowohl die Anlehnung an die Traditionen des alten Brauamtes wieder, als auch die Verdienste die sich Strüber um die Verbesserung der Brauprozesse erworben hat. Sobald es die Witterung zulässt, wird im Frühjahr mit den Bauarbeiten im Brauhaus begonnen. Am 22.05.2006 kommt es dann während der laufenden Bauarbeiten zur förmlichen Unterzeichnung des Nutzungsvertrags mit der Stadt. Bei den Bauarbeiten spielt sich bald eine 6-Tagewoche ein. Sobald der erste Feierabend hat, rüstet er die Baustelle ein, die anderen kommen nach und nach dazu, bis die Dunkelheit zum Ende mahnt. Als ehrenamtlicher Architekt kann Klaus Friedrich gewonnen werden, der damalige Stiftungsratsvorsitzende. Die Bauleitung und die Konstruktion der Brauanlage obliegt Fritz Beckmann. Als Glücksfall entpuppt sich der Erwerb der beiden Sudpfannen von 3 bzw. 2,5 hL. Diese waren zuvor als Suppenkocher in der Niederländischen Luftwaffengarnison in Blomberg eingesetzt. Die Ausführung in lebensmittelgerechtem Edelstahl und das Wasserbad erweisen sich als ideale Voraussetzungen auch zum Brauen. Am 5. August 2006 kann dann erstmals im neuen Brauhaus gebraut werden.
Am 16.10.2006 wird noch einmal zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung eingeladen, auf der Fritz Beckmann in Anerkennung seiner Leistungen während der Brauhausrenovierung und -einrichtung als weiterer Zunftmeister ernannt wird. Er teilt sich fortan die Arbeit mit Strüber, indem er die technisch orientierten Aufgaben steuert und überwacht, während sich Strüber vornehmlich auf die eigentlichen Brauabläufe konzentriert. Zu diesem Zeitpunkt ist die Mitgliederzahl bereits auf 20 angewachsen.
Am 28.10.2006 kann das noch nicht ganz fertige Brauhaus erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt werden, wobei der erste Brauhaussud zum Ausschank kommt. Am 07.05.2007 wird das Haus schließlich in aller Form eingeweiht. Zahlreiche Ehrengäste und Gäste sind der Einladung gefolgt. Der Musikzug der freiwilligen Feuerwehr spielt auf, allein das Wetter spielt nicht mit – ein Umstand der die Schwalenberger Brauer noch bei so mancher eigenen Veranstaltung begleiten soll. Zu diesem Zeitpunkt kann Ehlert 2752 Arbeitseinsatzstunden vermelden. "Ohne Brauen", wie er ausdrücklich bemerkt. "Für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer sind das fast zwei Arbeitsjahre!", so Ehlert weiter.
Nach dieser Aufbauphase mit ihrer ganz eigenen Gruppendynamik fällt es dem Verein sichtlich schwer, eine neue Alltagsroutine zu finden. Am Brauhaus werden die Brautage als "historisches Schaubrauen" ausgelobt. Weizenbier- und Bockbieranstiche komplettieren das Programm. Zudem beteilig man sich auch 2007, 2008 und 2009 am Maibaumspektakel und darüber hinaus im Glühweinzelt des Falkenrottes am Schwalenberger Weihnachtsmarkt. Beim Maibaumspektakel wird stets der "Schweinepott" (s.o.) zum Schaubrauen aufgebaut. Dazu wird der Saison entsprechend Bockbier ausgeschenkt. So erwirbt sich der Verein den Ruf, zwar leckeres aber eben doch sehr starkes Bier zu brauen. Daran kann auch das folgende Ereignis nichts ändern.
Der rauchende Schweinepott ist stets ein Blickfang für die Besucher, so auch für 2 fremde, ältere Damen, die noch
nicht im Bilde sind und zu ergründen suchen, was denn wohl in dem Kessel dampfe?
Schließlich fasst sich eine ein Herz und ordert: "Wir hätten auch gern 2 Teller Erbsensuppe."
Die Schwalenberger Brauzunft e.V. versteht sich 2015 als der Verein für Biergenuss und Braukultur im westlichen Weserbergland, bis hin zum südlichen Teutoburger Wald. Dieser Anspruch umfasst das Erlernen des Brauens bis zur regelmäßigen Durchführung öffentlicher, handwerklicher Brautage. Darüber hinaus steht den Mitgliedern die Einrichtung für eigene Kleinbraugänge zur Verfügung. Die weiblichen Mitglieder sollen ihr eigenes Bier an eigenen Brautagen entwickeln und einbrauen können ("Die Frauen brauen"). Ebenso geht es dem Verein darum, Biersensorik und Wissen um das Bier zu vermitteln. Instrumente hierzu sind vor allem Vortagsveranstaltungen, Stammtische und Ausflüge, wie die regelmäßige Teilnahme an den Jahrestreffen des VHD e.V.
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